Gestern saß ich in einer Hotel-Lobby zusammen mit einem Manager des neuen französischen Nachrichtensenders France24. Der Mann war nach Berlin gekommen, um zu hören, ob und wie der erst vor zwei Monaten gegründete TV-Kanal in Deutschland reüssiren könnte. Sagen wir mal so: Um mehr als 25 Jahre nach der Gründung von CNN noch einen neuen 24-Stunden-News-Sender zu starten, muss man wohl von einer gewissen Mission erfüllt sein.
Dass die Grande nation diesen missionarischen Eifer besitzt, dürfte niemanden überraschen, der weiß, dass ein Walkman in Frankreich Balladeur genannt wird. Wenn man dann noch beobachtet, dass von Al-Dschassira (neuerdings auch auf Englisch) und anderen Kanälen längst auch im arabischen Raum Nachrichten-Vollprogramme gemacht werden und dass 2005 mit Telesur ein lateinamerikanisches Gegengewicht zu CNN gegründet wurde, dann drängt sich der Eindruck auf, dass das Nachrichtenbusiness eben doch nicht irgendein Business ist, sondern ein Ringen um die Deutungshoheit via Newsdesk. „Der Kampf ums Weltbild findet heute auf dem Bildschirm statt“, hieß es martialisch in der Neuen Zürcher Zeitung.
Auf der anderen Seite klingt das, was die Franzosen da tun, aber auch stark nach Business-Logik. Dass mit France24 ein völlig neuer Sender gegründet wurde, obwohl Frankreich bereits Auslandsfernsehen und -hörfunk betreibt, stellt der Besucher aus Paris als Schachzug dar, den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen. Der sei ja in den anderen Sendern völlig „lähmend“. Der neue Sender werde von Anfang an wie ein auf Profitabilität zielendes Wirtschaftsunternehmen geführt – auch wenn er noch lange nicht profitabel sein wird.
Die Franzosen sind zwar spät dran, dafür wollen sie aber alles richtig machen. Produziert wird voll digital, Website und Fernsehen werden aus einer Quelle gespeist. Alles soll aus einem Guss sein und natürlich schnell, schneller am schnellsten on air oder online. Im April startet zusätzlich zum französischen und englischen das arabische Fernsehprogramm; später soll Spanisch als vierte Sprache hinzukommen. Das Jahres-Budget liegt unter 100 Millionen Euro. Getragen wird France24 zu 50 Prozent vom privaten TF1 und den öffentlich-rechtlichen Sendern (France Télévisions).
„Wir sagen nicht, dass wir besser sind als CNN oder BBC“, sagt der Mann aus Frankreich, dessen Visitenkarte die drei Buchstaben COO zieren. Aber bei der Themensetzung, da will sich France24 schon unterscheiden. Als die Bundeskanzlerin Merkel zur deutschen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel antrat, da war das für CNN kein Thema und BBC World berichtete nur kurz; nur auf France24 war es ausführlich zu sehen.
Ob der französische Spin, gar die seit Kohl und Mitterand ausgiebig gepflegten deutsch-französischen Beziehungen ausreichen werden? Ob das genügt, um France24 hierzulande bei denen, die sich als Oppinion oder Business leaders – die Lieblingszielgruppe der globalen News-Sender – begreifen, zum Must see zu machen? (Excusez-moi für die Anglizismen, couldn’t resist.) Eins steht fest: Die 24-Stunden-Relevanzproduktion, egal ob auf CNN, BBC oder nun auf France24, verliert stark an Reiz, wenn nicht gerade Flugzeuge in Hochhäuser fliegen. Und damit zurück ins Funkhaus.