Ideen haben wir eine ganze Menge. Mein Kollege R. serviert mir fast jeden Morgen mit dem ersten Kaffee mindestens ein neues Web-Projekt oder Inhalts-Konzept frei Haus: „Man müsste mal …“, „Könnte man nicht …“ Dann spielen wir ein bisschen Ideen-Pingpong, bis irgendein Spielverderber auf die Idee kommt, darüber zu reden, was die Realisierung kosten würde. Zum Glück tauchte neulich aber ein Engel auf, und der heißt – oh Wunder – Gruner+Jahr: Der Hamburger Großverlag hat eigens einen Ideen-Wettbewerb namens Grüne Wiese ausgerufen, um „die Medienidee des Jahres“ zu finden.
Kinder, da habt ihr aber Glück, dass ich bei Euch vorbeigesurft bin. Am nächsten Morgen sage ich R. freundlich, er möge heute nur ein Plätzchen zum Espresso reichen und statt dessen mal eine Idee in das Eingabe-Formular von Gruner+Jahr hämmern. „Fürs erste wollen sie nur ein Grundkonzept. Muss aber bis 30. November fertig sein. Das schaffst Du mit links“, ermuntere ich unseren Ideen-Inkubator.
10.000 Euro will G+J springen lassen, auch wenn Zeitschriften-Vorstand Bernd Buchholz auf der Wettbewerbs-Homepage säuselt: „Was wären wir ohne Ideen? Ideen kann man nicht kaufen.“ Ätsch, Lüge, kann man doch: Im Unterpunkt „Teilnahmebedingungen“ steht nämlich entwaffnend deutlich, dass wir „sämtliche Rechte“ an unserer hübschen Idee „exklusiv, zeitlich, inhaltlich und räumlich unbeschränkt“ auf G+J übertragen – und zwar bereits „mit der Teilnahme“. Ich verstehe das so: Wir schicken das Eingabeformular mit unserer Idee ab und – schwupps – kann Bernd Buchholz damit machen, was er will.
Nun könnte man sagen, der Buchholz, der hat’s auch nötig. Es ist nämlich so, dass die hausinterne „Ideen-Olympiade“ vor zwei Jahren einige Häme, aber nicht gerade Perlen hervorzauberte – darunter ein Magazin namens Dogs. Gibt’s das eigentlich noch? Ich mein‘ ja nur. Buchholz‘ Chef Bernd Kundrun hat nämlich gerade erst in der Branche und im eigenen Haus mit der Ankündigung Aufsehen erregt, das eigene Titel-Portfolio zu prüfen und einige erfolglose Blätter einzustellen. Jetzt fragen sich alle, wen es treffen wird beim Eene-Meene-Muh-und-raus-bist-Du.
Als Todeskandidat wird sogar die Tageszeitung Financial Times Deutschland genannt, die G+J kürzlich zu 100 Prozent übernehmen musste, weil der britische Partner keine Lust mehr an dem deutschen Ableger hatte. Apropos FTD: Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir – im Jahr 2002 muss es gewesen sein – ein freundliches Schreiben der rosa Zeitung ins Haus flatterte, ich möge doch bitte als geschätzter Autor die beiliegenden AGBs unterschreiben. Man ahnt es schon: Ich sollte, womit ich mich bereit erklärt hätte, sämtliche Rechte an meinen Artikeln an den Verlag abzutreten.
Man sieht, die Chose ist nicht neu, sie wird seit Jahren praktiziert und kommt immer wieder, und wahrscheinlich werden auch die Freischreiber daran nichts ändern können. Überflüssig zu sagen, dass wir die Grüne Wiese von Herrn Buchholz ganz schnell wieder verlassen haben. Gehe nicht zum Eingabeformular. Ziehe nicht 10.000 Euro ein.
An dieser Stelle könnte dieses Blog-Posting bereits zu Ende sein, wenn ich nicht eben noch einmal auf der Wettbewerbs-Website vorbeigeschaut hätte, um einen Screenshot zu machen. Und siehe da, die Teilnahmebedingungen mit den „sämtlichen Rechten“ waren … verschwunden. Man hat sie einfach verschwinden lassen, jedenfalls aus dem öffentlich zugänglichen Bereich der Website, und der fragliche Link wird ohne Fehlermeldung auf die Ideen-Seite umgebogen, so dass es gar nicht auffällt. Selbst aus dem Google-Cache sind die Teilnahmebedingungen verschwunden.
Fast verschwunden: Die bei Google gecachte Version der Ideen-Seite (siehe Screenshot) zeigt ihn immer noch, den leidigen Unterpunkt Teilnahmebedingungen. Bissel peinlich, oder?