Heute hat die allseits beliebte Browser-Klitsche Microsoft pünktlich die neunte Version ihres Internet Explorers publiziert. Das ist eine gute Nachricht nicht nur für Anwender, die einen schnelleren und besseren Browser bekommen, sondern auch für Web-Designer und Entwickler. Denn IE9 schließt nicht nur zur Konkurrenz auf, sondern beachtet auch die Web-Standards und gibt sich modernen Dingen wie CSS3 und HTML5 gegenüber recht aufgeschlossen. Die schlechte Nachricht lautet: Mit dem Erscheinen von IE9 verschwinden der mäßige IE8, vor allem aber die unzulänglichen Vorgänger IE7 und IE6, die Web-Designer zu abenteuerlichen Rösselsprüngen (Browser-Weichen, Hacks etc.) zwingen, dummerweise nicht automatisch in der Hölle.
Im Gegenteil: Weil der IE9 nicht mehr unter Windows XP läuft, wird die neue Version an vielen älteren PCs und auch Netbooks (die erste Generation wurde noch mit XP ausgeliefert, da Vista zu Ressourcen-intensiv war) vorübergehen. Auch auf vielen Unternehmens-Rechnern dürfte Windows XP noch zu finden sein, weil die Administratoren dort vor Jahren das Upgrade auf Vista wegen der bekannten Unzulänglichkeiten gescheut haben und die Migration der Firmen-IT zum heute aktuellen Windows 7 ebenfalls noch nicht vollzogen ist. Ich habe sogar einen Firmen-Kunden, der auf seinen Standard-Arbeitsplätzen immer noch Internet Explorer 6 (hinter einer heftig blockenden Firewall, um die ganzen Sicherheits-Lücken zu stopfen) einsetzt, frei nach dem Motto: Never change a running system. Ich fürchte, auch das ist kein Einzelfall. Selbst Microsoft sieht da ein Problem und hat eigens eine Website namens IE6 Countdown gestartet. Ziel: Die Anwender sollen ermutigt werden, den Browser-Oldie, dessen Marktanteil mit zwölf Prozent weltweit angegeben wird, so schnell wie möglich per Update hinter sich zu lassen.
Anstatt also davon zu schwärmen, was in punkto Web-Design mit dem IE9 endlich möglich wird, sollten wir uns eher darin erinnern, was alles nicht möglich ist bzw. mit Hacks behoben werden müsste, damit unsere schön mit CSS geformten Websites auch im IE 6 bis 8 so aussehen wie gewünscht. Dabei sollte man sich m. E. nicht von jenen Webdesign-Blogs verrückt machen lassen, die noch nicht einmal endgültig spezifizierte neue Standards (HTML5, CSS3) hypen, als müsste sie jeder Web-Entwickler lieber gestern als heute auf seinen Seiten umsetzen. Jedenfalls dann nicht, wenn Designer ihre Webseiten nicht als Selbstzweck, sondern für normale User entwickeln. Um sich mit kommenden Standards vertraut zu machen, ist speziell Mark Pilgrims Dive into HTML5 nichtsdestotrotz Pflichtlektüre. Update: Diese Seite wurde stillgelegt.
Soll ich also Code verwenden, den viele Browser meiner Nutzer nicht interpretieren können? Als generelle Linie würde ich sagen: Nein, wenn es die Funktionalität der Seite „bricht“. Damit sind die neuen Tags in HTML5 schon einmal aus dem Spiel. Die Anwendung von CSS-Regeln, die eine Seite aufhübschen, in alten Browsern aber keinerlei Wirkung zeigen (mithin die Seite nicht undarstellbar machen), ist okay. Browser-spezifische CSS-Regeln oder die berühmt-berüchtigten IE6/7-Hacks haben allerdings den unschönen Nebeneffekt, im HTML-Validator zu scheitern. Wenden wir sie an, nehmen wir in Kauf, fehlerhaften Code zu produzieren – und finden die unerwünschten Fehler umso schwerer.
Was heißt das in der Praxis?
HTML5 und CSS3: IE9 unterstützt als erster Explorer Teile der kommenden Web-Standards. Er versteht sich auf Web-Fonts (das neue WOFF-Format) und CSS-Media-Queries, malt runde Ecken (border-radius) und interpretiert einige CSS3-Regeln ohne Browser-spezifische Prefixe (also beispielsweise box-shadow
statt -moz-box-shadow wie beim Firefox <=3.5)
. An der HTML5-Front versteht sich IE9 auf die neuen Tags zur unmittelbaren Einbettung von Medien (<audio> und <video>), kann im <canvas> malen und schafft Bedeutung und Gliederungs mit Semantic Tags. Eine detaillierte Übersicht, was schon unterstützt wird, liefert Microsoft.
All dies bedeutet einen großen Schritt nach vorne, aber es wird von den Vorgänger-Modellen nicht verstanden. Der Gedanke, die neue Funktionalität nun durch Javascript-Bibliotheken wie Modernizr oder eCSStener so weit wie möglich nachzurüsten, die dann wiederum User von alten PC-Büchsen oder schlappen Netbooks nachladen und in den lahmen Javascript-Engines ihrer Steinzeit-Browser ausführen müssen, erscheint mir nicht wünschenswert. Das produziert nur Overhead.
Web-Designern, die nicht nur für Web-Designer Webseiten bauen, bleibt also nichts anderes übrig, als weiterhin an die alten Browser zu denken. Ich würde heute nicht mehr für den IE5 designen, aber mich unbedingt mit dem IE6 und seinem verschlimmbesserten Nachfolger IE7 herumschlagen, weil sie trotz ihres biblischen Alters (IE6 erschien 2001) immer noch aktuell sind. Erst mit dem IE8 hat sich Microsoft den Web-Standards zugewandt. Und weil das Thema immer noch aktuell ist, habe ich in einem weiteren Posting nützliche Links in Sachen Browser-Kompatibilität sowie Lösungen für typische Problemfälle des Internet Explorers 6 gesammelt.