Nun hat also Die Welt eine Paywall hochgezogen, und wie zuvor schon bei der New York Times und bei der Neuen Zürcher Zeitung handelt es sich systembedingt um eine sehr löchrige Mauer. Alle diese Paywalls sind mit Hilfe von JavaScript realisiert und zählen die Benutzer-Zugriffe in Cookies. Aus Sicht des Web-Entwicklers sind beides ausgesprochen „weiche“ Massnahmen, weil sie sich im Browser des Besuchers einfach deaktivieren oder zurücksetzen lassen. Und weg ist die Paywall. Natürlich könnte man härter durchgreifen und die Seite für Besucher mit deaktiviertem JavaScript sperren oder gar von vornherein mit einem Login-System abschotten, wie das die Londoner Times gemacht hat. Aber damit würde man nicht nur Besucher vergraulen, sondern auch die Suchmaschinen-Robots aussperren, und das will außer Rupert Murdoch kaum ein Verleger.
Was passiert hinter den Kulissen einer Paywall? Die Zahl der Zugriffe wird in einem Cookie gespeichert. Mit jedem neuen Seitenabruf wird die Zugriffszahl um eins erhöht. Man spricht deshalb von einer „metered“ Paywall. Am Monatsende kann der Zähler wieder zurückgesetzt werden. Löscht der Benutzer innerhalb seines Browsers den Cookie, ist der Zähler allerdings ebenfalls futsch. Bei jedem Seitenzugriff wird der Cookie erneut ausgelesen oder neu gesetzt, wenn er nicht existiert. Ist der Grenzwert – bei der Welt sind es 20 Artikel pro Monat – überschritten, tritt JavaScript in Aktion, schiebt den Inhalt in den Hintergrund und setzt ein sogenanntes Overlay mit der Bezahl-Aufforderung darüber.
Lightbox-Effekt. Was da genau vor sich geht, lässt sich mit einem DOM-Inspektor wie dem Firefox-Addon Firebug besichtigen: Ein neuer Layer mit teiltransparentem grauen Hintergrund und fixer Position wird über den Seiten-Inhalt gelegt, der damit visuell ins Hintertreffen gerät. Ein besonders hoher z-index sorgt dafür, dass dieses Overlay tatsächlich zuoberst erscheint. Man kennt einen solchen Lightbox-Effekt von diversen Websites, wenn ein Bild großgeklickt wird. Bei der Paywall ist es kein Bild, sondern eine freundliche Aufforderung zum Abschließen eines Online-Abos. Außerdem wünscht sich der Designer einer solchen Lightbox, dass der Hintergrund nicht nur abgedunkelt und vom Overlay überlagert wird, sondern auch wie eingefroren wirkt. Der Inhalt darf sich also nicht mehr scrollen lassen. Zu diesem Zweck wird im Body-Element die CSS-Eigenschaft „overflow:hidden“ (die Welt-Designer haben sicherheitshalber noch ein „important!“ dazugesetzt) definiert.
Das war’s auch schon. Löscht man testweise in Firebug den Overlay-Container aus dem DOM-Baum und deaktiviert das „overflow:hidden“ im Stylesheet, dann ist die Bezahlmauer auch wieder weg und der Inhalt lässt sich scrollen. Gar nicht auftauchen soll die Paywall, wenn der Artikel über einen Link von einer Suchmaschine oder aus sozialen Medien angesteuert wird. Das ist über die Auswertung des sogenannten Referers möglich, der normalerweise im Header einer HTTP-Anfrage übermittelt wird; ich habe mir dieses Szenario bei Welt.de aber nicht weiter angeschaut. Mit Hilfe des Referers lassen sich auch Besuche von Suchmaschinen-Robots detektieren. Voraussetzung ist allerdings immer, dass sich der Referer korrekt auswerten lässt – und dass er nicht gefaket wird.
Unter dem Strich sind „metered“ Paywalls ein Kompromiss zwischen Abschottung und Sichtbarkeit, der angesichts der Rahmenbedingungen des Webs aus technischer Sicht wenn nicht faul, so doch schal wirkt. Das HTTP-Protokoll ist nun mal ein zustandsloses Protokoll – daran kommt niemand vorbei, der seine Benutzer wiedererkennen will. Cookies sind technische Krücken; der Umstand, dass sie auch von Werbenetzwerken für das Tracking des Komsumenten-Verhaltens missbraucht werden, macht diese Browser-Kekse nicht genießbarer. Wer sie deswegen regelmäßig löscht oder gar deaktiviert, hat die Paywall schon zerschossen. Dafür bedarf es keiner Missgunst gegenüber Journalisten und ihren Verlagen, die bei wegbrechenden Print-Erlösen nach neuen Quellen im Internet suchen, und schon gar nicht krimineller Energie.
Zum Glück für die Paywall-Bauer lassen die allermeisten Internet-Nutzer aber ihre Browser so, wie sie ausgeliefert wurden: Mit aktiviertem JavaScript und Cookies.
Ein sehr informativer Artikel zum Thema Paywall. Viele haben den Begriff sicherlich schon einmal gehört, was aber tatsächlich dahinter steckt, das wissen nur wenige. Da wird dieser Artikel dem ein oder anderen eine große Hilfe sein.