Ein letztes Mal: Christiansen, samt ungehaltenem Exkurs über Experten

Mal angenommen, Sie wären die Zeremonienmeisterin einer örtlichen Catering-Firma und veranstalteten jeden Sonntag eine geschlossene Gesellschaft. Das Ereignis hat sich also in den letzten zehn Jahren einen gewissen Namen gemacht; gelegentlich ist sogar hochachtungsvoll von einem „Küchenkabinett“ die Rede. Zu Ihren häufigsten Gästen zählt auch ein Kochbuchautor; der kommt immer gerne, um auf ihre Kosten zu schlemmen. Umso ärgerlicher sind Sie, als dieser Kochexperte anderswo verlauten lässt, bei Ihnen würde nur recht oberflächlich gekocht.

Wären Sie da nicht sauer? Na eben. Bei Sabine Christiansen’s (hihi, Deppen-Genitiv) war man jedenfalls not amused, dass der Politologe Jürgen Falter gegenüber Welt Online beklagt hatte, die Sendungen seien „recht oberflächlich“ gewesen und diese Oberflächlichkeit habe auch „mit der Art der Gesprächsführung von Sabine Christiansen“ zusammengehangen. Ist ja auch zu komisch. Denn mag Falter auch noch so recht haben, so war der flotte Professor, der als „Parteienfoscher“ auf allen medialen Hochzeiten hausiert und als solcher auch angemietet werden kann, doch selbst Top-ten-Gast bei Christiansen: 23 Mal las er dort aus dem poltischen Kaffeesatz, plauderte über angebliche Wählerwünsche, verbreitete also – Oberflächlichkeiten.

Diese kleine Geschichte vom Falter und der Talkshow, die wir später noch zu Ende erzählen, verrät mehr über das Selbstbild ihrer Protagonisten, als ihnen lieb sein dürfte. Aber das eigentliche Unding – und jetzt holen wir mal tief Luft und greifen tief in die angestaute TV-Neurose – ist das Expertentum des Fernsehens. In seiner grauenvollen Sucht nach Bildern und O-Tönen verlangt der TV-Journalismus ständig nach Leuten wir Jürgen Falter, nach <em>Talking Heads</em>, die irgendetwas erklären – die Betonung liegt auf „irgendetwas“.
Natürlich kommt diese Unsitte mal wieder aus Amerika, dem Land des Small Talks. Ich rede, also bin ich, heißt dort die Devise. Ein 24-Stunden-Sender wie CNN kann den qualvollen Fluss der Sendezeit, dieses ewige Warten auf ein Unglück – aber bitte in Korrespondentennähe -, nur mit dem Gerede von Gesichtern füllen. Amerikaner füllen alles mit Gerede. Deshalb war der Durchbruch von CNN der Triumph des TV-Expertentums auf breiter Front. Zurückgetretene Generäle, politische Berater, Geheimdienstler im Ruhestand: Diese ganze teigige Sippe von <em>Pundits</em>, die schon nicht mehr wussten, wohin mit ihrer eigenen Wichtigkeit – sie bekamen dank CNN ein neues Zuhause auf den Bildschirmen der Welt.

Wären Sie nur in Amerika geblieben! Aber nein, das deutsche Fernsehen muss ja auch mit der Zeit gehen. Einst waren kreuzbrave Programmansagerinnen als Pausenfüllerinnen zwischen den Programmen die Gesichter geschlossener Fernseh-Anstalten. Heute muss es schon ein jovialer Anchorman sein, der selbst das Programm ist und „Experten“ aufruft. Oder eine Fragerin mit anmutig übergeschlagenen Beinen und Lesebrille. Talkshows werden sowieso nur noch nach ihren Gastgeberinnen benannt. Nein, das ist nicht der Erfolg des Feminismus‘, sondern der Triumph des Eigen-Marketings, das bis in den hintersten öffentlich-rechtlichen Redaktionswinkel reicht: Mainz hat einen „ZDF-Terrorexperten“, das Erste neuerdings einen „ARD-Dopingexperten“. Das Fernsehen macht permanent Werbung für sich selbst, und die Mitwirkenden in diesem Kompetenzzirkus tragen ihre Qualifikation wie ein unsichtbares Schild vor sich her. Darauf steht: <em>“Ich bin ein Experte, macht mich nicht aus!“</em>

Schluss jetzt, basta. Regen wir uns nicht weiter auf über die Informations-Caterer vom Fernsehen, die beleidigt sind, wenn man an ihrer Oberfläche kratzt. Ärgern wir uns nicht länger über Experten wie Jürgen Falter, die so tief in diesem Betrieb drin steckt, dass sie selbet ein Bagger schon nicht mehr herausschaufeln kann. Erzählen wir lieber unsere kleine Geschichte aus der Welt der Gastronomie zu Ende. Wir hatten es ja vorher versprochen, und es ist ohnehin klar, wer gemeint ist.

Also: Sie sind ziemlich sauer auf diesen Kochbuchautor und sinnen auf Rache. Als der Sonntag Ihres Ausstandes naht – sogar der nette Chefonkel von der Bundesgaststätteninnung hat sich angesagt -, laden Sie den unfreundlichen Mitesser per Fax kurzerhand aus. Ha, der ist jetzt so richtig beleidigt! Der nette Chefonkel aber weiß, was sich gehört: Er überreicht Ihnen weiße Rosen und sagt, Sie hätten Gastronomie-Geschichte geschrieben. Das beschämt Sie nun doch ein wenig. Aber nur ein wenig: Schließlich werden Sie bald nach Paris heiraten und künftig (mal abgesehen von der einen oder anderen Kochshow im deutschen Fernsehen) sowieso nur noch der globalen Business-Elite auftafeln!

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