Im Juni sammelten die Krautreporter über eine Million Euro per Crowdfunding ein. Seit heute ist ihr Online-Magazin für die Öffentlichkeit freigeschaltet, auch für Nicht-Mitglieder – das ist Teil des Konzeptes. Einen journalistischen Eröffnungs-Knaller haben die Krautreporter allerdings nicht zu bieten; das spannendste an der frischen Website ist das Design.
Raum für Text. Das Layout ist bewusst minimalistisch gehalten, passt sich leicht an alle Bildschirmgrößen an und gibt den langen, teils mit Bildern durchsetzten Texten, die in einem großen Nicht-Standard-Font („Tisa Sans“) gesetzt sind, viel Raum. Die Wertschätzung für Typografie gepaart mit grafischem Minimalismus kennt man aus aktuellen Blog-Designs, aber nicht von klassischen News-Websites.
Die komplizierte Mehrspaltigkeit typischer Verlags-Websites fehlt hier ebenso wie deren allgegenwärtige Zappel-Werbung – nicht dass dies jemand vermissen würde. Bei den Krautreportern kann man die Randspalten – Artikel-Übersicht und eine Anmerkungs-Spalte (in der sich keine Anmerkungen finden, solange man nicht als Mitglied eingeloggt ist) – ausblenden. Dann steht der Text völlig ablenkungsfrei da.
Keine Startseite mehr. Das Krautreporter-Magazin verzichtet völlig auf die sonst von Online-Medien gewohnte Startseite mit Teasern, sondern geht direkt in medias res: Aktuell wird sofort ein Artikel von Stefan Niggemeier geöffnet. Das scheint zeitgemäß, denn die Homepage alten Stils wird immer seltener angesteuert; viele Nutzer erreichen Spiegel Online, Welt.de und Co. eher über „deep“ Links aus Suchmaschinen, sozialen Medien oder Feed-Readern und haben die Startseite schon lange nicht mehr gesehen.
Mit gewöhnlichen News-Portalen lässt sich Krautreporter allerdings inhaltlich nicht vergleichen. Mal abgesehen von der Masse: Es fehlen schlicht die News. Wer hierher kommt oder gar freiwillig Mitgliedsbeitrag zahlt, muss bereit sein, sich für Themen zu interessieren, die den Vorlieben der Autoren entspringen und häufig nicht einmal aktuelle Wurzeln haben, sprich: außerhalb der üblichen Blatt-Kriterien für journalistische Relevanz liegen.
Inhaltliches Wachstums-Potential. Natürlich muss so ein Magazin inhaltlich erst einmal wachsen. Bisher haben aber noch nicht einmal alle der zuvor genannten 25 Krautreporter-Autoren einen Beitrag produziert. Und bei den gerade einmal eineinhalb Dutzend publizierten Beiträgen ist nicht immer ganz klar, warum sie ausgerechnet hier im Magazin gelandet sind.
Der erwähnte Artikel von Stefan Niggemeier zum Beispiel ist eine Buchkritik. In gewohnt akribischer und unterhaltsamer Weise nimmt Niggemeier die vermeintliche Enthüllung-Schrift Gekaufte Journalisten von Udo Ulfkotte per Fakten-Check auseinander. Doch dieser Artikel könnte genauso gut in Niggemeiers eigenem Blog stehen. Und Tilo Jung hat einfach eine Folge seines Video-Podcasts Jung & naiv eingebettet.
Aller Anfang ist schwer, aber ein eigenes publizistisches Profil für die Marke „Krautreporter“ zu entwickeln ist augenscheinlich noch schwerer.
Crossposting: MedienCity.de Netzpresse