Mit der Version 57 a.k.a. „Quantum“ hat die Mozilla-Stiftung nach langer Zeit und vielen Klimmzügen eine Runderneuerung ihres Webbrowsers Firefox umgesetzt. Der war einmal – vor 13 Jahren – Everybody’s Darling und galt als Alternative zum technologisch stagnierenden Browser-Monopol von Microsoft. Doch inzwischen ist Firefox mit nur noch 13 Prozent Marktanteilen längst von Googles Chrome (64 Prozent) abgehängt worden; allein auf deutschen Desktops liefern sich beide Browser mit Werten um 35 Prozent noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Leistungsmäßig war nicht nur Chrome, sondern auch Microsofts Neuentwicklung Edge an Firefox vorbeigezogen.
Zumindest in Sachen Technologie spielt Firefox dank Quantum nun wieder in der Ersten Liga. Mozilla hat seinem angeschlagenen Flaggschiff eine Schlankheitskur verordnet. Das gilt sowohl für die Optik als auch für Speicherbedarf und Geschwindigkeit. Eine neue CSS-Engine und eine Multi-Prozess-Architektur ähnlich jener von Chrome, bei der die Last auf mehrere CPU-Kerne verteilt, aber weniger RAM als bei Googles Konkurrenten verbraucht wird, machen Firefox Quantum doppelt so schnell wie die Vorjahres-Ausgabe.
Beim Quantensprung blieben viele der 25.000 Erweiterungen auf der Strecke
In Ubuntu lässt sich eine existierende Firefox-Installation wie gewohnt über die Aktualisierungverwaltung oder per sudo apt update && sudo apt upgrade auffrischen. Ganz gedankenlos sollte man dies aber nicht tun. Viele lieb gewonnene Erweiterungen werden nach dem Update nämlich nicht mehr funktionieren, weil beim Quantensprung des Firefox auch die alten Add-on-Schnittstellen stillgelegt wurde. XUL ist Vergangenheit, ebenso das Add-on SDK. Die neue API heißt WebExtensions:
WebExtensions sind ein Cross-Browser-System zur Entwicklung von Browser-Add-ons. Das System ist in weiten Teilen kompatibel mit der extension API, welche von Google Chrome und Opera unterstützt wird. Erweiterungen, welche für diese Browser geschrieben wurden, werden in den meisten Fällen mit nur wenigen Anpassungen auch in Firefox oder Microsoft Edge lauffähig sein. Die API ist außerdem vollständig kompatibel mit Multiprozess-Firefox.
Klingt gut, allerdings muss Mozilla die vielen freien Add-on-Entwickler dazu bringen, ihre Erweiterungen zu portieren. So waren zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels zwar rund 6.900 Erweiterungen für die neue -API verfügbar. Dem stehen jedoch 25.000 „Legacy“-Add-ons gegenüber.
In meinem Firefox waren nach dem Quantum-Update noch vier Erweiterungen aktiv: Foxy Proxy, Gnome Shell Integration, Screengrab und What runs. Acht Erweiterungen waren deaktiviert. Der Button „Ersatz finden“ hielt in keinem Fall, was sein Titel versprach: Er fand nämlich keinen Ersatz, sondern rief nur die Add-on-Suchseite auf. In einem Fall – bei Flashblock – führte er immerhin zu einem Dokument, welches das Verhalten der führenden Webbrowser bei der Aktivierung von Flash vergleicht. Da Firefox ohnehin erst nachfragt, bevor Flash auf einer Webseite genutzt wird, ist Flashblock nicht mehr vonnöten und wird auch nicht mehr weiter entwickelt.
Auch für die schon vor Jahren eingestellte, aber vor Firefox 57 dennoch funktionierende Erweiterung Clearly von Evernote ist der Ersatz schon in den Browser eingebaut, selbst wenn der Button „Ersatz finden“ davon nichts weiß: Die „Leseansicht“, erreichbar über das „Blatt“-Icon in der Adressleiste, sorgt nämlich ganz ohne Add-on für eine ablenkungs- und werbefreie Darstellung des Inhalts einer Web-Seite.
Keine neue Version gibt es für die SEO-Erweiterung MozBar. Sie ist nur noch für Chrome erhältlich. Auch für den XPath-Checker gibt es mehr und bessere Alternativen in Chrome/Chromium. Als Ersatz für das Übersetzungs-Tool Select and Translate habe ich Simple Translate gefunden.
Der sehr praktische PrefBar mit Ein/Ausschaltern für diverse Einstellungen wird nicht mehr auf die neue Plattform portiert; der Entwickler empfiehlt aber Alternativen zur Nachrüstung einzelner Funkionalitäten wie JavaScript Toggle On and Off oder Clear Cache and Data. Auch für den User Agent Overrider findet sich eine Empfehlung: User Agent Switcher. Es lohnt sich also immer, auf der Seite des jeweiligen Add-ons nachzuschlagen, ob der Entwickler eine Alternative kennt.
Noch nicht ganz perfekt: die Integration in den Gnome Desktop
Nicht mehr benötigt wird das Gnome Theme für Firefox, denn die neue „Photon“-Oberfläche des Browsers passt sich gut in GTK3-Desktops ein. Was in Ubuntu anders als bei Fedora noch nicht funktioniert, sind Client Side Decorations.
Trotzdem: Das Browser-Fenster sieht mit Schattenwürfen und Rundungen an den oberen Ecken genauso aus wie jede echte Gnome-Anwendung. Dass es im Detail noch Fehler auszubessern gilt, merkt man auch daran, dass Firefox beim Umschalten in den Vollbild-Modus (F11) wieder die alten Symbole für Fenster minimieren, wiederherstellen und schließen anzeigt.
Auf Smartphones und Tablets scheint der „Browser-Krieg“ schon verloren
Firefox hat mit Quantum die anderen großen Browser endlich eingeholt, an einzelnen Stellen sogar überholt. Für Anhänger freier Software sollte das eine tröstliches Lebenszeichen sein, nachdem Mozilla zuvor sein Mobilfunk-System Firefox OS in den Sand gesetzt hat und auch das E-Mail-Programm Thunderbird zeitweise völlig stagnierte. Bleibt zu wünschen, dass die frohe Botschaft vom Quantensprung auch beim Durchschnitts-Anwender ankommt, zumindest bei den Desktop-Nutzern. Auf Smartphones und Tablets scheint der Kampf ja schon verloren. Dabei ist eine nicht an Profit und Datensammelei orientierte Alternative zu den Browsern aus den großen industriellen Komplexen wichtiger denn je.
Leider funktioniert seit der Aktualisierung auf Quantum mein User-Agent-Overrider nicht mehr. Gibt´s dafür eine Lösung?
Eine kompatible Extension installieren. Mit der Suche nach User agent habe ich auf Anhieb sechs Extensions gefunden, die alle das gleiche machen.