Pan Tau im Lebensborn-Hotel

Filmfoto
Szene mit Ivan Barnev (links); Foto:Verleih

Und wieder geht eine Berlinale zuende. Gesehen habe ich viel zeitkritischen Realismus, gerade auch in osteuropäischen Filmen: Einzelschicksale auf der Folie eines rasanten gesellschaftlichen Wandels, mal mehr, mal weniger exemplarisch (und deshalb mal weniger, mal mehr eindrücklich) erzählt. Der tschechische Wettbewerbsbeitrag Obsluhoval jsem anglického krále („Ich bediente den englischen König“), eine Verfilmung des gleichnamigen Schelmenromans des großen Romanciers Bohumil Hrabal, war das burlesk-märchenhafte Kontrastprogramm zum Sozialrealismus: Pan Tau im Lebensborn-Hotel.

In Rückblenden lässt der Prager Regisseur Jiři Menzel, eine der großen Figuren des tschechischen, früher tschechoslowakischen Kinos, den Kellner Jan Dite seine Geschichte erzählen: Ein kleiner, naiv-vorwitziger Stehaufmann, der nach dem Zweiten Weltkrieg davon träumt, Millionär zu werden. Das gelingt ihm wirklich – ganz ohne Dreh an der Melone. Schlussendlich macht sein Traum Jan jedoch zum Nazi-Kollaborateur und zum Kriegsgewinnler. Die Kommunisten sperren ihn ins Gefängnis – 15 Jahre lang, für jede seiner Millionen eines.

Man könnte den Fehler machen, diesen Stoff zu unterschätzen, so spielerisch durchmisst der aus der Erzählperspektive des alt gewordenen Protagonisten gedrehte Film 40 Jahre europäischer Geschichte. Habals Stoff schlägt vor allem in der Nazi-Zeit geradezu aberwitzige Funken, als sich der von Ivan Barnev mit viel komödiantischen Talent gespielte junge Jan in die vom Rassenwahn beseelte Sudetendeutsche Lisa (Julia Jentsch) verliebt.

Mit der Heirat klappt es (dank erfolgreichem Ariernachweis), nicht aber mit einem Kind, das im Angesicht eines Führer-Porträts gezeugt werden soll. Lisa zieht es daraufhin als Freiwillige an die Front; Jan bleibt an seinem früheren Arbeitsplatz, einem ehemaligen Luxushotel, das zum Lebensbornheim umgewandelt wird.

Oscar-Preisträger Menzel macht das, was Literatur und Kino der Tschchoslowakei schon immer am besten konnte: Er erzählt die unglaubliche Geschichte des Jan Dite wie ein Märchen und hält sie damit in der Balance: Ist dieser Mensch, dem Glück, Unglück oder Glück im Unglück immer nur zuzufallen scheinen, nun ein böser oder einfach nur ein einfältiger Mensch? Ist er gar ein neuer Schweijk?

Einen Innovationspreis darf Menzel für diesen Film, seinen ersten seit 14 Jahren, sicher nicht erwarten. Dafür ist „Ich bediente den englischen König“ ein zwischen Grosteske und Melancholie pendelnder Film voller Poesie und skurriler Charaktere – mit einer gewissen Neigung zur Frivolität, wenn Menzel ausgiebig die Brüste junger Frauen ins Bild setzt. Der Anblick sei dem alten Kinomeister gegönnt.

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