Android ohne Google

Junge und hippe Menschen erfreuen sich an befreiten Android-Smartphones
Foto: Wavebreakmedia/Depositphotos.com

Android ohne Google – das klingt wie Radler ohne Bier oder Opa in der Disko. Wer sich ein schickes, neues Markenhandy mit Android kauft, bekommt ungefragt auch Googles Apps dazugeliefert. Die Bequemlichkeit hat ihren Preis: Der Nutzer zahlt mit seinen Daten, außerdem schmälert der heiße Draht zu Googles Servern die Akkuleistung. Aber es geht auch ohne Google-Konto und Play-Store. Wer einige Stunden Frickelei nicht scheut und – je nach Hersteller – die Garantie riskiert, bekommt ein von proprietären Apps und Google-Konto befreites Smartphone mit ein paar Einbußen.

AOSP enthält nur den quelloffenen Code von Android

Um gleich mal die eigene Überschrift zu dementieren: Ein Android ohne Google gibt es nicht. Selbst das Android Open Source Project (AOSP) wäre ohne Googles Programmierer nicht möglich. AOSP enthält aber eben „nur“ den quelloffenen Code für die Softwarebasis von Android. Damit ist es nicht nur der Ausgangspunkt für alternative Android-Distributionen wie LineageOS (früher: CyanogenMod) oder Paranoid, sondern auch die Grundlage für das hier empfohlene „Android ohne Google“.

Natürlich muss für das Smartphone, das wir von Google befreien wollen, erst einmal ein solches auf AOSP basierendes Custom-ROM existieren. Custom ROMs dürfen schon aus lizenzrechtlichen Gründen keine Google Apps vorinstallieren. Die Google Apps, kurz GApps, sind Googles proprietäre Software.

Die Entwickler von Custom ROMs empfehlen meist, zusätzlich zum ROM ein separat erhältliches GApps-Paket zu flashen, weil sie davon ausgehen, dass die Nutzer nicht auf darauf verzichten wollen. Genau das machen wir aber nicht – wir wollen ja ein System ohne Google. Sind die Google Apps doch schon eingespielt, kann man versuchen, das System nachträglich zu säubern, indem man Googles System-Apps löscht. Eine „Debloater“-Software macht das automatisch.

Um ein Custom ROM und dazu die notwendige Custom Recovery (in der Regel TWRP) auf dem Smartphone zu installieren, muss zudem der Bootloader des Smartphones geöffnet sein/sich öffnen lassen. Manche Hersteller geben ihren Kunden nach Registrierung einen Unlock-Code – damit besteht dann aber auch die Gefahr eines Garantieverlustes. Wer es ernst meint, sollte sich also vor dem Smartphone-Kauf informieren, ob es für das eigene Modell alternative ROMs gibt. Einschlägiger Anlaufpunkt für die freie Android-Entwicklung ist das Forum von XDA Developers – findet sich dort nichts, dann gibt’s auch (allermeistens) nichts.

Ohne Play Store macht Android weniger Spaß

Ein solches Google-freies Smartphone reicht aber vielen Anwendern nicht. Zwar kann und sollte man fast alle Google Apps und -Dienste durch andere, nicht von Google abhängige Anwendungen ersetzen – doch ohne Googles riesigen Play Store lassen sich diese nicht so einfach installieren. Natürlich gibt es F-Droid, einen empfehlenswerten Store mit geprüften, Tracker-freien Open-Source-Apps. Doch die gewohnten Apps aus Googles Play Store findet man darin nicht.

Zudem funktionieren die Apps von kommerziellen Anbietern auf Google-freien ROMs oftmals nicht oder nur teilweise, weil sie Googles Play Services nutzen. Beispiel: Carsharing-Apps bekommen keine Ortung und zeigen keine Karte an. Da fehlen Schnittstellen und Bibliotheken, die Google AOSP vorenthält und nur in seinen proprietären Play Services bündelt. Also doch die GApps installieren?

microG, Open-Source-Alternative zu den Google Play Services

Hier springt microG in die Bresche – das Open-Source-Framework veranstaltet eine Maskerade, indem es sich gegenüber anderen Anwendungen zwar wie Googles eigene Play Services verhält, aber in Wirklichkeit keinen Google-Code nutzt, ohne Google-Konto funktioniert und auch keine Daten an Google sendet. Für die Ortung bringt mircoG den Dienst unifiedNlp mit. Hier können Anwender per Plugin verschiedene Daten-Provider nutzen, sowohl lokale (in Form von aufs Smartphone zu ladenden Geo- und Netz-Datenbanken) als auch entfernte Services, darunter die Standortdienste von Apple (Lokalisierung anhand von WLAN-Netzen in der Umgebung) und Mozilla (Lokalsierung anhand von GSM-Zellen).

Klarer Fall: Nutzt man einen der beiden, so werden zwar keine Daten an Google, aber eben doch an Mozilla oder Apple übertragen – wobei die Mozilla-Stiftung wohl bei auf Privatsphäre bedachte Menschen mehr Vertrauen genießt, während Apple genauere Ergebnisse verspricht.

NanoDroid besorgt die Installation in einem Rutsch

Die Installation von microG ist nicht trivial. (Update: Seit November 2017 bietet das microG-Projekt eigene ROMs auf Basis von LinageOS an, die alle nachfolgend beschriebenen Installations-Schritte bereits integriert haben.) Zum Glück gibt es seit dem Frühjahr 2017 das Skript NanoMod, Anfang 2018 in NanoDroid umbenannt, das die microG-Dienste in einem Rutsch als System-Apps einrichtet, so dass der Google-Ersatz auch unter Android Nougat funktioniert. NanoDroid lässt sich zudem als Modul des systemlosen Root-Dienstes Magisk einrichten: Dann flasht man zuerst via TWRP Magisk und dann ebenfalls via TWRP NanoDroid – es genügt das Paket NanoDroid-microG.

Leider ist es damit noch nicht getan: Damit die Maskerade funktioniert und microG sich für Googles Play Services ausgeben kann, muss das ROM das sogenannte Signature Spoofing unterstützen – das tun allerdings die wenigsten Custom ROMs. Also braucht’s einen Patch. Bevor das ROM gepatcht werden kann, muss es jedoch „deodexed“ sein; die meisten ROMs sind jedoch bereits „odexed“, also für die Ausführung optimiert.

„Deodexen“ und „Signature Spoofing“ nicht mehr nur für ROM-Köche

NanoDroid ist inzwischen so weit entwickelt, dass es ein ROM selbständig „deodexen“ und dann auch patchen kann – ersteres klappt aber noch nicht zuverlässig, denn je nach Android- und ROM-Version müssen zu diesem Zweck unterschiedliche Werkzeuge verwendet werden. NanoDroid-Macher Christopher Roy Bratusek hält aber auch eine gute Anleitung bereit, wie sich das „Deodexen“ manuell erledigen lässt.

Vor NanoDroid wäre man solchen Frickeleien mit dem Windows-Tool Fulmics Deodexer oder mit SuperRs Android Kitchen, für Linux-User kostenlos, zu Leibe gerückt, und fürs Patchen hätte man etwa das Python-Tool Tingle in Stellung gebracht. Dank NanoDroid laufen diese Prozeduren viel einfacher ab, weil sie – im besten Fall – automatisch auf dem Smartphone ablaufen.

Somit gibt es auch keinen Grund mehr, die Abkürzung über das Xposed Framework zu nehmen und über ein spezielles Module namens FakeGapps den Weg zum Signature Spoofing einzuschlagen. Zumal Xposed, selbst wenn man es als Magisk-Modul „systemlos“ installiert, durch das SafetyNet von Android fällt, so dass Banking-Apps oder auch das berühmt-berüchtigte Spiel Pokemon Go nicht funktionieren.

Yalp statt Play Store

Mit NanoDroid lässt sich auf Wunsch auch der Yalp Store installieren, der einen anonymen Zugriff auf Googles Play Store ermöglicht. Wer im Play-Store bereits kostenpflichtige Apps erworben hat, kann Yalp mit seinem Google-Konto nutzen und diese ebenfalls installieren.

Damit ist Android ohne Google fertig eingerichtet. Natürlich ist es nicht so perfekt und bequem wie ein Android mit Google. Vor allem muss man sich bewusst sein, dass microG nicht alle von Googles eigenen Play-Services bereit gestellten Funktionen übernehmen kann (und will). Den Stand der Implementierung sieht man hier.

Natürlich besteht auch die Gefahr, dass Google microG bei der Entwicklung abhängt oder gar aussperrt. Schließlich steht hinter microG nur ein Entwickler, hinter Google ein ganzer Konzern. Auch die Funktionsfähigkeit des Yalp Stores ist davon abhängig, dass Google die Geschäftsbedingungen seines App-Marktplatzes nicht radikal durchsetzt. Doch solange der Großteil der Android-Nutzer sich nicht für die Nachteile proprietärer Software interessiert, dürfte sich niemand bei Google um microG oder Yalp scheren.

Einstweilen hat microG für die meisten Nutzungsszenarien eine alltagstaugliche Reife als Google-Ersatz erreicht, und NanoDroid erleichtert die Installation ungemein, zumal dessen Entwickler bei XDA einen guten Support bietet. Bleibt auf der Negativ-Seite die Flasherei und der umständliche Umgang mit „gelockten“ Bootloadern und „odexed“ ROMs. Doch der vergossene Schweiß und die Komfort-Einbußen gegenüber einem proprietären Google-Smartphone werden ja doppelt aufgewogen: durch die Wahrung der Privatsphäre und den Gewinn an Akku-Leistung.

5 comments on “Android ohne Google”

  1. Echt spannendes Thema. Bin schon seit langer Zeit ohne Google services. Muss dieses nanomod mal probieren. Danke!

  2. Klasse Beitrag. Ich wünschte, es würde einen noch ausführlicheren dieser Art geben, in dem Noobs wie ich noch etwas mehr abgeholt werden.

  3. Das mit dem „Klasse Beitrag“ sehe ich auch so. Auch für mich nützliche Tipps, die ich noch nicht kannte.
    Ich bin Eigentümer eines Fairphone2. Für dieses Smartphone gibt es von Fairphone ein google-freies „fairphone-open“ aber auch ein LineageOS-Image für das Gerät. Und noch ein Hinweis f-droid.org als portal und app bietet eine Reihe von google-freien Apps. Das erspart ein wenig die Umweg-Installation von Apps aus dem google-play store. Da hilft sonst auch noch racoon.

  4. Hi,

    tolle und vor allem aktuelle Seite, danke! ;-)

    Nachdem ich bereits einmal beim Versuch gescheitert bin, CyanogenMod auf einen Motorola Defy+ (ich will ein KLEINES Handy, kein Flachbild-TV inner Hosentasche!) zu installieren, frage ich mich, ob es nicht jemanden gibt, der Geld damit verdienen möchte, Android-ohne-Google auf anderer Leute Handys zu installieren. Das wäre extrem interessant für Ahnumgslose/Gescheiterte wie mich, die aber unbedingt eine Gerät ohne Überwachung/Datenklau haben möchten. Also, falls einer einen kennt,…..

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